Das Lieferkettengesetz: wofür steht es und was bringt es?
In den Sozialen Medien wurde in den letzten Wochen gejubelt und gefeiert, dass es dieses Jahr endlich kommt: Das Lieferkettengesetz. Viele sprechen von einem Durchbruch für mehr Menschenrechte, andere bemängeln, dass die Wirtschaftspolitik einen Strich durch die Rechnung macht.
Was ist das Lieferkettengesetz?
Die Textilindustrie ist in vielen Regionen Südasiens Hölle und Segen zugleich, denn hier finden Millionen Menschen Arbeit – allerdings bis heute unter menschenunwürdigen Bedingungen.
Das Lieferkettengesetz soll damit Schluss machen. Es soll Kinderarbeit, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen verhindern. Freiwillige, unternehmerische Selbstverpflichtungen dürfen nicht mehr stattfinden sollen, denn Erfahrungswerte zeigen: wenn es in der Wirtschaft um Transparenz und Fairness geht, reicht Freiwilligkeit meistens nicht aus.
Die Bundesregierung möchte größere deutsche Unternehmen weltweit zur Einhaltung von Menschenrechten und Umweltvorgaben in ihren Lieferketten verpflichten. Mitte Februar hatten sich Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) auf ein Gesetz geeinigt.
Was bewirkt das Lieferkettengesetz?
Vorgesehen ist, dass das Gesetz ab 2023 für Unternehmen ab 3000 und 2024 für Firmen ab 1000 Beschäftigen gelten soll. Somit wären von dem Gesetz vorläufig nur ca. 3500 deutsche Firmen, also nicht einmal 1% der über 3 Millionen deutschen Firmen, beziehungsweise 23% der deutschen Großunternehmen betroffen. Zum Vergleich: laut Handelsgesetzbuch gelten Unternehmen ab 250 Mitarbeitern als groß.
Eine Klausel für kleinere Unternehmen, zum Beispiel für sogenannte Risikobranchen wie dem Textil-, Chemie- oder Lebensmittelsektor in die Pflicht genommen werden, ist nicht vorgesehen.
Hier stellt sich die Frage: Sollten Unternehmen aus Branchen, in denen das Risiko für menschenrechtliche Verletzungen verhältnismäßig hoch ist, nicht auch dazu verpflichtet werden, regelmäßige Risikoanalysen durchzuführen?
Welche Auswirkungen hat das Lieferkettengesetz auf uns Konsument/-innen?
Eines ist klar: Das Lieferkettengesetz wird Firmen Geld kosten. Es wird für Maßnahmen für höhere Arbeitssicherheit und Umweltschutz sowie den bürokratischen Aufwand ausgegeben werden müssen. Auch für Analysen und Berichte muss bezahlt werden. Was bedeutet das im Umkehrschluss für Konsument/innen? Wie wir es bereits von Bio- und Fair-Trade-Produkten kennen, wird der Mehraufwand vermutlich durch höhere Preise an die Konsument/-innen weitergegeben.
Gerade bei Produkten wie Leder oder Textilien können wir also mit Preissteigerungen rechnen, erstmal dann, wenn diese von Großunternehmen stammen. Allerdings können wir auch mit besserem Gewissen konsumieren, selbst wenn wir nicht zum ausgewiesenen Fair-Trade-Produkt greifen.
Lieferkettengesetz: das sind die nächsten Schritte
Der Referentenentwurf der Bundesregierung soll Mitte März vom Bundeskabinett gebilligt und in den darauffolgenden Wochen im Bundestag diskutiert werden. Es gibt also noch Raum für Änderungen. Das Gesetz soll dann bis spätestens Ende Juni 2021 verabschiedet werden.
Wir von Brot für die Welt werden uns im Rahmen der Initiative Lieferkettengesetz auch in den nächsten Wochen und Monaten dafür einsetzen, dass das Gesetz an einigen Stellen noch geschärft wird. Der jetzige Entwurf ist nur ein Etappensieg.
Maren Leifker
Die Initiative Lieferkettengesetz ist ein Zusammenschluss zahlreicher Organisationen mit einem gemeinsamen Ziel: Eintreten ein für eine Welt, in der Unternehmen Menschenrechte achten und Umweltzerstörung vermeiden – auch im Ausland.
Lieferkettengesetz für die EU: Abgeordnete Anna Cavazzini befürchtet Widerstand der Brüsseler Wirtschaftslobby
Anna Cavazzini von den Grünen streitet im Ausschuss für Internationalen Handel für eine Globalisierung, bei der die Menschen und die Umwelt im Vordergrund stehen und nicht die Konzerne und reine Profitmaximierung.
Frau Cavazzini setzt sich im EU-Parlament für ein Lieferkettengesetz ein, das europäische Unternehmen zwingen soll, ihre Zulieferbetriebe von Menschenrechtsverletzungen abzuhalten. Zu dem Gesetzesentwurf in Deutschland sagt sie im Gespräch mit der ZEIT:
Einerseits kann man es als Riesenfortschritt sehen, dass jetzt überhaupt ein Lieferkettengesetz in Deutschland kommen soll, weil es zwischenzeitlich nicht mehr danach aussah. Das Bundeswirtschaftsministerium hat wirklich stur versucht, es zu verhindern. Auf der anderen Seite muss man sehen, dass wenig von dem übrig geblieben ist, was ursprünglich angedacht war. Die Unternehmen werden zum Beispiel erst einmal nur für ihre direkten Zulieferer verantwortlich sein. (…)
Bisher haben wir das Gefühl, dass die Unternehmen das Thema noch nicht voll auf ihrer Agenda haben. Aber grundsätzlich ist es natürlich auf EU-Ebene genauso wie in Berlin. Die Brüsseler Wirtschaftslobby wird noch Druck aufbauen gegen das Gesetz.(…)
Auf jeden Fall wäre es für die Unternehmen wichtig, dass in Europa gleiche Bedingungen für alle gelten. Das haben auch die konservativen Politiker in Deutschland immer wieder als Argument gegen ein alleiniges deutsches Lieferkettengesetz vorgebracht. Ich sehe jetzt aber die Gefahr, dass wir durch das schwache Gesetz in Deutschland mehr Widerstand im EU-Ministerrat bekommen. Dort hat Deutschland eine große Macht. Das schlimmste Szenario wäre, dass die Bundesregierung im Rat den europäischen Vorschlag so abschwächt, wie sie es in Berlin getan hat.
Anna Cavazzini
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